FORUM EINE WELT
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Gegen das Vergessen
Vortrag über Opfer der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“
Verdrängt, vergessen, verschwiegen: So heißt der Vortrag, den der Historiker
Karl-Heinz Böffgen im Gerolsteiner Rathaus gehalten hat. Dort referierte er über
die Opfer des sogenannten Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten. Auch ein
Opfer aus Gerolstein war anwesend.
Gerolstein. Die Nazis begannen 1939 mit der Durchführung des "Euthanasie-Programms".
Im NS-Sprachgebrauch hieß das: "Vernichtung lebensunwerten Lebens", was zu einem
Massenmord an über 100 000 geisteskranken und behinderten Menschen führte. Damit
diese Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten hat der Verein Forum "Eine
Welt" zu der Veranstaltung "Verdrängt. Vergessen. Verschwiegen." eingeladen.
Mit dem "Gesetz zur
Verhütung erbkranken Nachwuchses" von 1933 begann das, was die
Nationalsozialisten "Rassenhygiene" nannten. Es betraf Anstaltsinsassen, kranke,
behinderte und für "schwachsinnig" erklärte Menschen. Ein Opfer dieser Maßnahme
war der Gerolsteiner Matthias Koch. Er war einer von insgesamt elf Gerolsteinern,
die Opfer der "Rassenhygiene" der Nationalsozialisten wurden.
Matthias Koch war als
junger Mensch krank, verbrachte eine Zeit in einer Kinderheimstätte und in der
Heil- und Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder in Trier. Trotz Widerspruch
seines Vaters wurde er zwangssterilisiert. Man "verlegte" ihn im August 1939 in
die Heil- und Pflegeanstalt Andernach. Von dort wurde er, ohne Wissen der
Angehörigen, am 7. Juni 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht und am
gleichen Tag durch Gas ermordet.
Sein Name steht
beispielhaft für das Schicksal von etwa 100 000 Ermordeten des
Euthanasieprogramms und geschätzten 400 000 Zwangssterilisierten in Deutschland
- auch für die Gerolsteiner Opfer. Die Verbrechen der Nationalsozialisten an den
Juden werden seit Jahren wach gehalten, in Gerolstein mit dem 2005 erschienenen
Buch "Gegen das Vergessen - Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" und durch die
bisher 13 verlegten Stolpersteine in der Stadt.
Die Geschichte der
Zwangssterilisierten und Ermordeten dagegen wurde über 70 Jahre lang verdrängt,
vergessen und verschwiegen. Forum "Eine Welt" hat diese Tabuthemen aufgegriffen
und, ähnlich wie bei der Recherche und Dokumentation für die Gerolsteiner Juden,
aufgearbeitet. Denn das Leid der Opfer und deren Angehörigen darf nicht
vergessen werden. Deshalb sollen vor allem jüngere Menschen informiert und zur
Wachsamkeit aufgerufen werden.
Karl-Heinz Böffgen
beschrieb in seinem Referat die politischen Hintergründe, den Widerstand der
Kirchen, Hitlers Stopp der Gasmorde 1941 und einige Lebensdaten der Gerolsteiner
Opfer (ohne kompletten Familiennamen). So erhielten die nicht informierten
Angehörigen mit der Urne mit gefälschtem Inhalt und dem Absender "Krematorium II
Wiesbaden" einen so genannten "Trostbrief" mit falschen Angaben zum Todestag,
zur Todesursache und zum Sterbeort.
In der anschließenden
Diskussion kamen vor allem das Verdrängen und Verschweigen, deren Ursache und
Folgen, die Mitschuld von Ärzten, Juristen und anderen, die nie zur
Verantwortung gezogen wurden zur Sprache. Der Vortrag wurde von dem Flötisten
Friedrich Leufgen musikalisch begleitet.
Red
Trierischer Volksfreund,
18. 11. 2014
Fotos von der Veranstaltung:
Referent Karl-Heinz Böffgen |
Publikum (links: 2.
Beigeordneter Egon Schommers) |
Publikum |
Rezitation: Nadja
Drlic, Musik: Friedrich Leufgen (Text:
"Mutter und Tochter" von Elie Wiesel; Musik:
Eigenkomposition von F. Leufgen) |
Friedrich Leufgen und Schülerinnen |