FORUM EINE WELT

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Den Gedemütigten Gesicht und Gestalt geben
Arbeitskreis stellt die Dokumentation "Gegen das Vergessen – Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" vor

GEROLSTEIN. Vorstellung, Lesung und Diskussion: Die Dokumentation "Gegen das Vergessen – Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" ist erstellt und bildete den Mittelpunkt bei der vom "Forum Eine Welt e.V." initiierten Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht im November 1938.

Von unserer Mitarbeiterin
BRIGITTE BETTSCHEIDER


Bei der Vorstellung der Dokumentation über die Gerolsteiner Juden trat der Kinderchor der jüdischen Kultusgemeinde Trier auf; zu dem Dutzend Kinder gehören (von links) Anthea Weinmann, Roschel Jussupow, Paulina Saitova und Leo Kotlarevskij. Foto: Brigitte Bettscheider

Fast auf die Stunde genau vor 67 Jahren hätten SA-Männer aus Bitburg die Wohnung der jüdischen Familie Levy in der Sarresdorfer Straße in Gerolstein gestürmt, geplündert und den Familienvater in Schutzhaft genommen. Mit diesem zeitlichen Bezug eröffnete Karl-Heinz Böffgen, Hauptautor und Leiter des Arbeitskreises "Gegen das Vergessen", vor etwa 50 Teilnehmern die Vorstellung des Buches über die Gerolsteiner Juden.

Bitterer Teil der Gerolsteiner Geschichte

In bewegten Worten erinnerte er an die entsetzliche Zeit. Er stellte klar, dass die jüdischen Bürger in Gerolstein zuvor angesehen und integriert gewesen seien und sie die Kleinstadt wegen der Eisenbahn als idealen Wohn- und Geschäftsstandort betrachtet hätten. "Die Juden haben in der Zeit der Verfolgung Hilfe und Unterstützung von Gerolsteinern bekommen. Aber wir dürfen nie vergessen, dass die Nazis auch hier Dulder und fanatische Helfer hatten", sagte Böffgen. Die Autoren des Buches hätten einen bitteren Teil der Gerolsteiner Geschichte aufgearbeitet. Durch Zeitzeugenberichte und die Porträts des Fotografen Fredy Lange sei es gelungen, den damaligen jüdischen Mitbürgern Gesicht und Gestalt zu geben. Böffgen ging auch auf die Recherchen für die Dokumentation ein. "Keineswegs einfach" sei es gewesen, resümierte er. Vieles sei verloren oder verbrannt worden, manche der Befragten seien sehr zurückhaltend gewesen oder hätten gefordert: "Macht doch endlich Schluss damit!" Mit dem Blick auf antisemitisches Potenzial in der heutigen Gesellschaft wolle er das Buch auch als Mahnung verstanden wissen.

Böffgens Ausführungen bildeten den Mittelpunkt der Veranstaltung. Zunächst hatte die stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Forum Eine Welt", Christa Caroli, dem Arbeitskreis für seine intensive Beschäftigung mit dem dunklen Geschichtskapitel gedankt und mit dem Blick darauf an die Zuhörer appelliert, Zivilcourage zu zeigen und sich für die Menschenwürde einzusetzen.

Deutliche Anzeichen für ein schlimmes Ende

Beigeordneter Josef Bach sprach in Vertretung von Bürgermeister Matthias Pauly und Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz. Er erinnerte an Flammen, Zerstörung, Hetze und Demütigung in der Nacht des 9. November 1938 als immer deutlicher werdende Anzeichen für ein schlimmes Ende. Er betonte, dass es wichtig und wertvoll sei, die Geschichte der Gerolsteiner Juden festzuhalten und damit das bisher einzige Zeugnis – den jüdischen Friedhof – in besonderer Weise zu ergänzen.

Den nachdenklichen Charakter der Veranstaltung verstärkten die klug ausgewählten und ohne Dramatik vorgetragenen Leseproben von Brigitte Blinn und Julia Prokoph. Für eine frohe Stimmung aber sorgten mit hebräischen Liedern die Mitglieder von "Sameach" und "Zmeche". So nennen sich der Erwachsenen- und der Kinderchor der jüdischen Kultusgemeinde Trier unter der Leitung von Isak Solomon.

Die Dokumentation "Gegen das Vergessen – Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" liegt zurzeit als Rohfassung in Heftform vor und soll in den nächsten Wochen ergänzt und korrigiert werden. Klaus Heller, Vorsitzender des Forums Eine Welt, erklärte, dass die Herausgabe in Buchform für Anfang 2006 geplant sei – und zwar für den 27. Januar, dem Gedenktag an die Opfer der Konzentrationslager. Ein geeignetes Datum fürwahr.

Kontakt: Forum Eine Welt e.V., Klaus Heller, Auf der Gass 17, 54552 Dreis-Brück, Telefon 06595/676, E-Mail: klaus.heller@t-online.de, Internet:  www.forum1welt.de.

Trierischer Volksfreund, 12. November 2005


Gegen das Vergessen

Vorstellung einer Dokumentation über die Gerolsteiner Juden

 „Am heutigen Tag geht es nicht allein um das Erinnern und Gedenken, sondern dieser Tag zwingt uns zu der Erkenntnis, dass wir auch heute nicht vor Unrecht wegschauen dürfen, sondern Zivilcourage zeigen müssen, wenn Gewalt gegen Minderheiten ausgeübt wird.“ Mit diesen Worten begrüßte Christa Karoli vom Forum Eine Welt e.V. die Anwesenden, die zu einer Buchpräsentation anlässlich des 67. Jahrestages der Pogromnacht von 1938 ins Gerolsteiner Rathaus gekommen waren.

 Der Erste Beigeordnete der Verbandsgemeinde Gerolstein Josef Bach überbrachte die Grüße von Bürgermeister Pauly und Stadtbürgermeister Schwartz, die an der Teilnahme verhindert waren. Bach betonte, dass es sehr wichtig sei, die Geschichte der Gerolsteiner Juden zu aufzuzeichnen, und mahnte, dass sich die Ereignisse vom 9. November 1938 nicht wiederholen dürften.

 Im Mittelpunkt der abendlichen Veranstaltung im Rathaus stand die Vorstellung einer Dokumentation mit dem Titel „Gegen das Vergessen. Das Schicksal der Gerolsteiner Juden.“ Ein Arbeitskreis des Forums Eine Welt unter Leitung von Karl-Heinz Böffgen hatte verschiedene Aufsätze, Briefe, persönliche Erinnerungen, Fotos und Statistiken über die Gerolsteiner Juden zusammengetragen und für diesen Abend in Form einer Broschüre herausgegeben. Die vorliegende Sammlung soll von Zeitzeugen und fachlich Interessierten überarbeitet und – wenn die Finanzierung gesichert ist - Anfang kommenden Jahres als Buch der Öffentlichkeit übergeben werden.

 Karl-Heinz Böffgen berichtete in seinem Vortrag, wie die schon seit einiger Zeit existierende Idee zu einem Buch über die Gerolsteiner Juden anlässlich eines Stadtrundgangs im Jahre 2004 Gestalt annahm. Bei der Sammlung von Informationen habe der Arbeitskreis meist viel Unterstützung gefunden; er sei aber auch auf deutliche Vorbehalte gestoßen. Offensichtlich, so Böffgen, spiele hier die Verdrängung der schrecklichen Ereignisse bei den Zeitzeugen noch immer eine große Rolle. Mehrmals habe er die Äußerung hören müssen, es müsse doch „endlich damit Schluss“ sein. Es sei aber nicht möglich, „damit“ Schluss zu machen.

 Es gebe Belege dafür, dass Gerolsteiner Bürger in der Zeit der Verfolgung den Juden geholfen hatten. Aber leider habe es auch viele Mitläufer und Helfer der Nazis gegeben - auch in Gerolstein. Das Buch gebe Auskunft über ein bitteres aber wichtiges Kapitel der Gerolsteiner Stadtgeschichte. Es gebe den Verfolgten Gesicht und Gestalt. Dabei seien vor allem die Porträtaufnahmen des verstorbenen GeroIsteiner Fotografen Fredy Lange eine wertvolle Hilfe gewesen.

 Böffgen gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass neben privaten Sponsoren auch die Stadt Gerolstein die Herausgabe des Buches finanziell unterstützen werde. Abschließend appellierte er an die noch lebenden Zeitzeugen, durch Ergänzungen und Korrekturen an dem vorliegenden Text zu einer umfassenden Dokumentation der Geschichte der Gerolsteiner Juden beizutragen.

 Im Anschluss an den Vortrag lasen Brigitte Blinn und Julia Prokoph ausgewählte Texte aus der Broschüre vor, so u.a. einen Zeitzeugenbericht über Moritz Levy, den wohl bekanntesten jüdischen Mitbürger, und eine kurze Betrachtung über das Verhältnis zwischen Gerolsteiner Christen und Juden in der Nazizeit.

 Die Veranstaltung des Forums Eine Welt wurde umrahmt vom Chor der Jüdischen Kultusgemeinde Trier unter der Leitung von Isak Solomon. Insbesondere der Kinderchor „Zmicha“ erntete großen Applaus mit seinen - teilweise von tänzerischen Elementen ergänzten - hebräischen Liedern.

"et Blättchen" - Wochenzeitung des Gerolsteiner Landes, 18. 11. 2005


Bilder von der Veranstaltung

Begrüßung durch Christa Karoli (Forum Eine Welt)
 
Grußwort: Josef Bach, 1. Beigeordneter der Verbandsgemeine Gerolstein
 
Referat: Karl-Heinz Böffgen
 
Lesung: Brigitte Blinn
 
Lesung: Julia Prokoph
 
Musikalische Umrahmung: Chor der jüdischen Kultusgemeinde Trier unter Leitung von Isak Solomon
 
Chor der jüdischen Kultusgemeinde Trier (Rechts: Isak Solomon)
 
Chor der jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Isak Solomon
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Die Jüngste im Chor
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 
Kinderchor "Zmicha" der Jüdischen Kultusgemeinde Trier
 

Fotos: Klaus Heller