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Husseini: „Israel braucht kritische Freunde“

Nahostexperte äußert sich zu Friedensaussichten nach dem Gaza-Krieg

Daun. Das Forum Eine Welt bot wieder einmal die Plattform für eine Veranstaltung zu einem aktuellen politischen Thema: „Der Gaza-Krieg und die Zukunft des Nahen Ostens“ lautete der Titel eines Vortrags, den der im Libanon geborene Journalist und Autor Dr. Abdul M. Husseini vor einem kleinen, aber interessierten Dauner Publikum hielt.

In der Einleitung zu seinem Referat stellte Husseini bedauernd fest, dass es im Land des Holocaust schwierig ist, sich kritisch mit der Politik des israelischen Staates auseinanderzusetzen. Selbstverständlich müsse man im Auge behalten, dass in Israel Menschen leben, die durch den nationalsozialistischen Völkermord traumatisiert sind. Das dürfe aber nicht vergessen lassen, dass Israel ein Staat ist, der heute eine aggressive Politik verfolgt und der eine Bedrohung für den regionalen und den internationalen Frieden darstellt.

Den Medien in Deutschland warf er Selbstzensur vor; sie zeichneten nur ein geschöntes Bild der israelischen Politik und arbeiteten mit dem Mittel der Vereinfachung, wenn sie den Angriff Israels auf Gaza aus dem „Recht Israels auf Selbstverteidigung“ gegen die Qassam-Raketen herleiteten. Mit seinem unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen den dicht besiedelten Gazastreifen, dessen Menschen jede Fluchtmöglichkeit genommen war, schade Israel nicht nur den Palästinensern, sondern auch seinem eigenen internationalen Renommee. Selbstverständlich habe Israel ein Recht sich gegen Raketenangriffe zu wehren. Dass die militärische Großmacht Israel aber gegen die steinzeitlichen Raketen der Palästinenser einen brutalen Luftkrieg mit 1.350 überwiegend zivilen Opfern führte, nannte Husseini nicht nachvollziehbar. Die Idee der Versöhnung habe durch den Gaza-Krieg jedenfalls einen schweren Rückschlag erlitten. Es sei augenblicklich sehr schwer, im Nahen Osten über den Frieden zu reden.

Dabei sei das Verhältnis zwischen Juden und Arabern über Jahrhunderte problemlos gewesen, und antijüdische Ressentiments seien erst mit dem Ausbruch des israelisch-palästinensischen Konflikts nach dem Zweiten Weltkrieg geweckt worden, als der israelische Staat auf Kosten der arabischen Bevölkerung in Palästina geschaffen wurde und Hunderttausende von Palästinensern ihre Heimat verlassen mussten. Seitdem habe Israel bei der Verfolgung seiner Ziele immer nur auf Gewalt gesetzt und sowohl UNO-Resolutionen wie eine Reihe von Normen des Völkerrechtsrechts (wie das Verbot der Besiedlung besetzter Gebiete) missachtet. Auch die arabischen Nachbarstaaten hätten es versäumt, zu einer Lösung beizutragen. Seit den Oslo-Verträgen der neunziger Jahre hätten sie aber den israelischen Staat faktisch anerkannt und mit dem Angebot, als Gegenleistung für die Gründung eines palästinensischen Staates die Beziehungen zu Israel zu normalisieren, eine wichtige Voraussetzung für eine friedliche Lösung des Konflikts geschaffen.

Die Oslo-Verhandlungen sollten zur Gründung eines palästinensischen Staates bis zur Jahrhundertwende führen. Auf Grund der israelischen Siedlungspolitik sei es jedoch nicht dazu gekommen. Die Friedensaussichten seien mit dem Amtsantritt von George W. Bush, der dem israelischen Regierungschef Ariel Sharon grünes Licht für seine unnachgiebige  Politik gegenüber Arafat gab, rasch zerstört worden. Damit zerstörte Sharon auch das Ansehen Arafats bei den Palästinensern, was wiederum die Position der islamistischen Hamas stärkte. Die Unfähigkeit des israelischen Militärs, die Hizbollah im Libanonkrieg 2006 zu vernichten, und der jüngste -  offensichtlich missglückte - Versuch, mit dem Angriff auf Gaza und der damit angestrebten Schwächung der Hamas die Abschreckungsfähigkeit Israels wiederherzustellen, haben nach Husseinis Auffassung den islamistischen Kräften neuen Auftrieb gegeben.

Der Gaza-Krieg habe die Hamas politisch aufgewertet und Europa, das den Wahlsieg der Hamas im Jahre 2006 nicht anerkannte und die Blockade gegen Gaza als Strafmaßnahme gegen die Palästinenser unterstützte, in eine Sackgasse geführt. Im Sinne einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts wäre es gewesen, die Islamisten in den Friedensprozess einzubinden, wofür es auf Seiten der Hamas damals gute Chancen gegeben habe. Es sei eine unzulässige Vereinfachung, die Hamas pauschal als terroristische Organisation zu bezeichnen. Im Übrigen sei Gewalt im Nahen Osten kein Monopol der Islamisten, sondern sie sei die Sprache aller Konfliktparteien. Ohne eine gerechte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts gebe es aber kein Ende der Gewalt.

Israelis und Araber seien zurzeit nicht in der Lage, ihre Probleme allein zu lösen; sie benötigten dazu die Europäer und die Amerikaner. Die israelische Regierung brauche aber keine Europäer, die nach der Pfeife Israels tanzen, sondern Freunde, die auch Kritik an seiner Politik äußern und Druck ausüben. Die Hoffnung auf Frieden sei aber gegenwärtig gering, da die bevorstehenden israelischen Wahlen wahrscheinlich zu einer Koalitionsregierung aus der rechten Likud-Partei und der rechtsextremen Partei Jisra’el Beitenu führen würden, die beide die Fortsetzung des Friedensprozesses ablehnen; Jisra’el Beitenu trete darüber hinaus für „ethnische Säuberungen“ ein. Husseini betrachtet die Hoffnungen auf eine neue amerikanische Nahostpolitik unter Barack Obama mit Skepsis, da dieser bisher keine erkennbare Konzeption für den Nahen Osten habe erkennen lassen. Die USA seien aber – trotz ihres großen Ansehensverlustes im Nahen Osten – die wichtigste Einflussgröße in der Region; Frieden gebe es nur, wenn die Amerikaner ihn wollten.

Husseini sagte abschließend, er hoffe, dass nicht religiöser Fundamentalismus – ob jüdisch oder muslimisch – die Zukunft des Nahen Ostens bestimme, sondern dass die Region endlich vom Bazillus der europäischen Aufklärung und der Demokratie infiziert werde. Europa müsse zu einer Politik finden, die die Sicherheit Israels, aber auch die Rechte der anderen anerkennt.

Eifelzeitung, 8. KW / 2009