FORUM EINE WELT
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Erzählungen aus dem Romadorf: Autor liest im Rathaus
Das Forum Eine Welt hatte zu einer Lesung in das Gerolsteiner Rathaus
eingeladen. Jovan Nikolić las aus seinem Buch "Weißer Rabe, schwarzes Lamm".
Anlass für die Veranstaltung war der Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus.
Gerolstein. "Ein kleiner Junge spaziert mit
seinem Vater durch die Stadt. Er hört, wie jemand in ihrem Rücken ihnen ein Wort
nachwirft: Zigeuner. Er ahnt, dass dieses Wort, voll unbekannter Gefahr, einen
verhängnisvollen Einfluss nehmen wird auf sein künftiges Leben." So beginnt
eines der kurzen Prosastücke in dem Buch "Weißer Rabe, schwarzes Lamm" des
serbischen Roma-Schriftstellers Jovan Nikolić.
Kurioses Leben
Er las auf Einladung des Forums Eine Welt im Gerolsteiner Rathaus. In ihrer
Begrüßung erinnerten Christa Karoli vom Forum Eine Welt und Josef Bach, Erster
Beigeordneter der Verbandsgemeinde Gerolstein, daran, dass der
nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma ("Zigeuner") noch immer
nicht den Stellenwert in der Gedenkkultur der Bundesrepublik gefunden hat, der
ihm eigentlich zukommt: Mehr als 300 000 Sinti und Roma wurden während der
Nazizeit ermordet. "Die Sinti und Roma sind eben Opfer zweiter Kategorie", sagte
Nikolić. Für die Lesung hatte der Autor, dessen Buch 2011 zum "Buch für die
Stadt Köln" gekürt worden war - wie vorher schon Werke von Italo Calvino, Haruki
Murakami und Orhan Pamuk -, einige kurze anekdotenhafte Texte ausgewählt. Sie
erzählten vom ärmlichen, manchmal aber recht kuriosen Leben im serbischen
Romadorf - zum Beispiel von Hühnern auf dem Fahrrad, vom kindlichen Glauben der
Alten an magische Kräfte, vom leichtsinnigen Umgang der analphabetischen
Dorfbewohner mit Arzneien oder von dem Großvater, der - so behauptet Nikolić -
"Alkoholiker von Beruf" gewesen sei.
Einige Texte trug der Autor in serbischer Sprache vor, und seine Frau Sigrun
Reckhaus übersetzte die Texte ins Deutsche. Immer wieder wurde deutlich, dass
hinter dem Humor und dem Witz der Kurzerzählungen jahrhundertealte bittere
Erfahrungen mit Diskriminierung und Verfolgung stehen. Nach der Lesung ging
Nikolić auf Fragen des Publikums ein, zum Beispiel auf die zunehmende
Diskriminierung der Roma auf dem Balkan, aber auch auf die nicht zu
akzeptierende Abschiebepraxis in Deutschland. Die Situation habe sich aber
insgesamt gebessert. Die Menschen seien selbstbewusster geworden, und über eine
verstärkte Bildung und Ausbildung dieser Minderheit würden auch viele heute noch
bestehende Probleme gelöst werden.
red
Bilder von der Lesung
Fotos: Klaus Heller
Christa Karoli, Sigrun Reckhaus und Jovan Nikolić |
Josef Bach, Sigrun Reckhaus und Jovan Nikolić |
Sigrun Reckhaus und Jovan Nikolić |
Sigrun Reckhaus und Jovan Nikolić |
Jovan Nikolić |