FORUM EINE WELT

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Im Dienst der Aussöhnung

Sumaya Farhat-Naser spricht über Palästina

Die palästinensische Autorin und Wissenschaftlerin Sumaya Farhat-Naser engagiert sich für eine Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Im Anschluss an eine Lesung aus ihrem Buch „Disteln im Weinberg", das den Alltag in den besetzten Gebieten schildert, sprach die Christin in Daun über die Situation in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten, die Gewalt durch die Besatzungsmacht und den Nahostkonflikt.

Daun. (red) Die Lesung von Sumaya Farhat-Naser hatte das Forum Eine Welt organisiert, unterstützt vom Caritasverband Westeifel, dem Dekanat Daun, der Evangelischen Kirchengemeinde Daun, dem Kreisverband Daun der Gewerkschaft Erziehung, Bildung und Wissenschaft (GEW), der Katholischen Erwachsenenbildung Fachstelle Prüm und dem Katholischen Deutschen Frauen­bund Daun.

Zu Beginn ihres Referats stellte Farhat-Naser klar: „Es geht im israelisch-palästinensischen Konflikt um Land, nicht um Religion. Die Religion wird nur benutzt, um die Politik zu rechtfertigen."

Selbstverständlich hätten die Juden nach ihrer Jahrhunderte langen Verfolgung das Recht auf ein Zuhause, aber der auf die Bibel gestützte Anspruch der zionistischen Einwanderer auf den alleinigen Besitz Palästinas sei inakzeptabel; denn dieses Land sei immer auch die Heimat der Palästinenser gewesen. Insofern habe sie kein Verständnis für die neue deutsche Regierung, die den Anspruch Israels auf einen „jüdischen" Staat unterstütze.

Ebenso müssten die radikalen Islamisten ihren Anspruch auf ganz Palästina aufgeben. Die fanatischen Juden argumentierten in denselben Kategorien wie die fanatischen Muslime. Dies mache jeden Dialog unmöglich.

Israel betreibe eine Politik der Vertreibung, indem es sich immer weitere palästinensische Gebiete einverleibe und der palästinensischen Bevölkerung in Israel und in den besetzten Gebieten das Leben unerträglich mache.

Den meisten Israelis bleibe die Wirklichkeit in den besetzten Gebieten verborgen. Farhat-Naser sieht ihre Aufgabe in der Aufklärung der Menschen auf beiden Seiten über die Situation und das Denken der anderen, in der Anbahnung von Gesprächen und in der Schaffung einer dauerhaften Grundlage für eine Aussöhnung.

Bei ihrer Arbeit mit Jugendlichen gehe es ihr vor allem darum, den jungen Menschen in den be­setzten Gebieten Mut zu machen und Techniken einzuüben, wie sie überleben können, ohne zu Gewalt zu greifen.

Eine Zweistaaten-Lösung, sagt Farhat-Naser, sei nicht mehr realistisch. Ein palästinensischer Rumpfstaat sei politisch und wirtschaftlich nicht lebensfähig. Sie hofft auf einen binationalen Staat mit gleichen Rechten für Israelis und Palästinenser. Dazu müsse Israel auf den Zionismus als Staatsideologie verzichten. Auch von den palästinensischen Parteien sei eine völlige Neuorientierung ihrer Politik zu fordern.        dr/utz

TV, 10. 12. 2009


„Das Leben wird zur Qual“

Sumaya Farhat-Naser sprach über die Situation im besetzten Palästina

Daun. Die palästinensische Autorin und Wissenschaftlerin Sumaya Farhat-Naser engagiert sich seit Jahren für eine Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Im Anschluss an eine Lesung aus ihrem jüngsten Buch „Disteln im Weinberg – Tagebuch aus Palästina“, das den Alltag in den besetzten Gebieten schildert, sprach die Christin aus Birzeit über die Situation in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten, die allgegenwärtige Gewalt und Demütigung durch die Besatzungsmacht und ihre Vorstellungen von einer Lösung des Nahostkonflikts. Die sehr gut besuchte Veranstaltung des Forums Eine Welt wurde vom Caritasverband Westeifel, dem Dekanat Daun, der Evangelischen Kirchegemeinde Daun, dem GEW-Kreisverband Daun, der Katholische Erwachsenenbildung Fachstelle Prüm und dem Katholischen Deutschen Frauenbund Daun unterstützt.

Zu Beginn ihres Referats stellte Farhat-Naser klar: „Es geht im israelisch-palästinensischen Konflikt um Land, nicht um Religion. Die Religion wird nur benutzt, um die Politik zu rechtfertigen.“ Selbstverständlich hätten die Juden nach ihrer Jahrhunderte langen Verfolgung – vor allem während des Holocaust – das Recht auf ein Zuhause, aber der auf die Bibel gestützte Anspruch der zionistischen Einwanderer auf den alleinigen Besitz Palästinas sei inakzeptabel; denn dieses Land sei immer auch die Heimat der Palästinenser gewesen, deren Vorfahren ursprünglich Juden, dann Christen und seit über 1.000 Jahren Muslime gewesen seien. Insofern habe sie kein Verständnis für die neue deutsche Regierung, die den Anspruch Israels auf einen „jüdischen“ Staat und damit die menschenrechtsfeindliche Forderung des israelischen Außenministers, des Rechtsextremisten Avigdor Liebermann, nach einer Ausbürgerung der in Israel lebenden Palästinenser unterstütze.

Ebenso müssten natürlich auch die radikalen Islamisten ihren Anspruch auf ganz Palästina aufgeben. Die fanatischen Juden argumentierten in denselben Kategorien wie die fanatischen Muslime, indem sie sich auf Gottes Wort beriefen. Dies  mache aber jeden Dialog unmöglich.

Israel betreibe in Anknüpfung an die zionistische Tradition eine Politik der Vertreibung oder – wie man in Israel sage - der „humanen Deportation“, indem es sich immer weitere palästinensische Gebiete einverleibe und der palästinensischen Bevölkerung in Israel und vor allem in den besetzten Gebieten das Leben unerträglich mache.

Während des ersten israelisch-palästinensischen Krieges 1948/49 habe Israel den ihm von der UNO zugesprochenen Teil Palästinas  erheblich ausgeweitet, so dass sich der junge Staat schließlich über 78 % des ursprünglichen  Palästina erstreckte; 1967 besetzte es auch noch die Westbank und den Gazastreifen. In den Friedensabkommen der 90er Jahre (Oslo-Verträge) versprach Israel den Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten; doch nach Auffassung Farhat-Nasers hatte Israel nie vor, sich wirklich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen; denn seit Beginn des so genannten Friedensprozesses habe sich die Zahl der völkerrechtswidrigen jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten vervierfacht.

Darüber hinaus sei in den besetzten Gebieten ein paralleles Netz von Straßen aufgebaut worden, die nur von Israelis benutzt werden dürften und die das palästinensische Siedlungsgebiet in 48 voneinander getrennte Ghettos zerstückeln. Zusätzlich erschwerten über 600 Kontrollpunkte des Militärs, an denen man häufig demütigende Schikanen durch die Besatzungsmacht erdulden müsse, die Bewegungsfreiheit. Alle Wege würden so zur Qual. Für Entfernungen von wenigen Kilometern benötige man häufig mehrere Stunden. Die Genehmigung des israelischen Militärs für einen Verwandtenbesuch in den zahlreichen Sperrgebieten werde oft erst nach mehrmaligem Vorsprechen gewährt.

Zahlreiche Bestimmungen ermöglichten es der Besatzungsmacht, palästinensischen Bürgern die Aufenthaltsberechtigung in den besetzten Gebieten zu entziehen. Familien stünden dann vor der Entscheidung: Trennung oder Leben in der Illegalität.

Seit einigen Jahren entstehe eine  über 1.000 Kilometer lange und vier bis acht Meter hohe Mauer zwischen den jüdischen und palästinensischen Siedlungsblöcken innerhalb der Westbank. Offiziell werde sie als Schutzwall für die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten deklariert, tatsächliche bedeute sie eine neue Form der Landnahme. Ganze palästinensische Städte seien durch die Mauer von ihrem Umland abgeschnitten. Inzwischen besitze Israel praktisch 58 % der Westbank. Das für einen palästinensischen Staat vorgesehene Land – drei voneinander getrennte Kantone – machten nicht mehr als 9 % des ursprünglichen Palästina aus.

Den meisten Israelis bleibe die Wirklichkeit in den besetzten Gebieten verborgen. Sumaya Farhat-Naser sieht ihre Aufgabe als „Friedensfrau“ in der Aufklärung der Menschen auf beiden Seiten der Mauer über die Situation und das Denken der „Anderen“, in der Anbahnung von Gesprächen und letztlich in der Schaffung einer dauerhaften Grundlage für eine Aussöhnung -  eine Aufgabe, die ihr zunehmend von israelischer Seite erschwert werde. Bei ihrer Arbeit mit Jugendlichen gehe es ihr vor allem darum, den jungen Menschen in den besetzten Gebieten Mut zu machen und Techniken einzuüben, wie sie trotz ihrer hoffnungslosen Situation überleben können, ohne von Hass zerrissen zu werden und zu Mitteln der Gewalt zu greifen.

Eine Zweistaaten-Lösung – sagt Sumaya Farhat-Naser – ist heute nicht mehr realistisch. Ein palästinensischer Rumpfstaat, wie er der israelischen Regierung vorschwebt, sei politisch und wirtschaftlich nicht lebensfähig. Sie hoffe auf einen binationalen Staat mit gleichen Rechten für Israelis und Palästinenser. Dazu müsse Israel auf den Zionismus als Staatsideologie verzichten. Auch von den palästinensischen Parteien sei eine völlige Neuorientierung ihrer Politik zu fordern. Dabei setze sie auf junge Politiker wie Marwan Barghouti, die sich derzeit noch in israelischen Gefängnissen befinden, die aber eine pragmatische Politik vertreten und großes Ansehen in der Bevölkerung genießen.

K.Heller