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Vier Stolpersteine für die Familie Levy

In Gerolstein wird die Erinnerung an verfolgte Juden wachgehalten – Kunstaktion Ende Februar

Nach gut sechs Jahren Vorbereitung werden am 28. Februar, 10 Uhr, zur Erinnerung an die in der Brunnenstadt verfolgten, deportierten und in Konzentrations-lagern ermordeten Juden die ersten vier Stolpersteine in Gerolstein verlegt. Weitere sollen folgen.

Von unserem Redakteur Mario Hübner

 

Gerolstein. "Ich freue mich sehr, dass wir jetzt, nach so langer Vorbereitung, die ersten vier Stolpersteine verlegen können. Und ich hoffe inständig, dass nun weitere Hauseigentümer nachziehen", sagt Christa Karoli, Vorsitzende des Forums Eine Welt. Das hat gemeinsam mit Gerolsteins Stadthistoriker Karl-Heinz Böffgen die Initiative für die Verlegung von Stolpersteinen in Gerolstein ergriffen - 2004 nach einem Stadtspaziergang, bei dem die Häuser passiert wurden, in denen die später ermordeten Gerolsteiner Juden gelebt haben.

Böffgens Antrieb ist ebenfalls klar. Er sagt: "Für mich ist das ein Teil der Stadtgeschichte, der in Erinnerung gehalten werden muss." Und er fügt hinzu: "Man redet immer von den Juden, dabei wird vergessen, dass das Gerolsteiner waren. Einige waren sehr bedeutend: Sie betrieben damals fünf große Geschäfte und Kaufhäuser und haben maßgeblich an der positiven Entwicklung der Stadt mitgewirkt."

Aber den beiden geht es natürlich auch um die Erinnerung an die Gräueltaten. Oder, wie Böffgen es formuliert, "dass auch hier Menschenrechte mit Füßen getreten wurden und so etwas nie wieder passieren darf". "Die Geschichte hat sich nicht nur in Berlin oder sonst wo abgespielt, sondern hier in Gerolstein. Das wollen wir vor Augen halten - vor allem der jungen Generation, von der viele mit Stichwörtern wie Judenverfolgung, Pogromnacht, Deportation, Konzentrationslager und systematische Ermordung nicht mehr viel anfangen können", sagt Karoli.

In Gerolstein lebten laut Stadthistoriker Böffgen bis zu 64 Juden. 14 von ihnen wurden deportiert und ermordet, ein weiterer beging unter dem immensen Druck Selbstmord. An sie, die in sieben Häusern von der Altstadt bis zur Sarresdorfer und Lindenstraße gelebt haben, soll die Erinnerung wachgehalten werden. Bereits 2001 hatte das Forum Eine Welt den Gerolsteiner Juden eine Fotoausstellung (Fotos: Fredy Lange; Texte: Christoph Stehr) gewidmet.

Es folgten der Stadtrundgang 2004, Informationsveranstaltungen, Gespräche mit der Stadtspitze, dem Stadtrat und den Hauseigentümern. Die Übereinkunft: Ohne deren Zustimmung wird kein Stein vor dem jeweiligen Haus verlegt - obwohl die Grundstücke größtenteils der Stadt gehören.

Mit den ersten vier Stolpersteinen sollen vier Mitglieder der Familie Levy - die Ehepaare Nathan und Gertrud Levy sowie Moritz und Elise Levy - geehrt werden. Die Verlegung findet in der Hauptstraße (vor dem Haus Nummer 59) und der Mühlenstraße (Haus Nummer 1) am Ende der verkehrsberuhigten Zone statt. "Wir freuen uns über jeden, der dazukommt, stehen bleibt und mit uns das Andenken hochhält", sagt Karoli.

 

Meinung

Dem guten Beispiel folgen

Die Verlegung der ersten vier Stolpersteine in Gerolstein ist ein kleiner, aber guter Anfang. Er zeigt: Gerolstein rühmt sich nicht nur seiner leuchtenden Epochen, sondern stellt sich auch seiner dunklen Vergangenheit. Das ist mutig, ehrlich, richtig. Allen, die daran mitgewirkt haben, gebührt Anerkennung. Vor allem den Hauseigentümern, die ja bereits der Verlegung der kleinen Gedenktafeln vor ihrem Haus zugestimmt haben. Mögen diesem Beispiel weitere folgen.

m.huebner@volksfreund.de
 

EXTRA
Die Idee der Stolpersteine stammt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, der bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und des benachbarten Auslands Stolpersteine verlegt hat. Die würfelförmigen Betonsteine haben eine Kantenlänge von zehn Zentimetern. Mit ihnen verbunden ist eine Messingtafel mit den Lebensdaten der Opfer. Die Steine werden ebenerdig verlegt. Sie sollen zum "gedanklichen Stolpern" anregen und als "dezentrale Mahnmale" das Geschehene lebendig halten; die Opfer sollten nicht namenlos sein. Als "Nebenprodukt" der intensiven Beschäftigung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit veröffentlichte das Forum Eine Welt 2006 ein Buch mit dem Titel "Gegen das Vergessen: Das Schicksal der Gerolsteiner Juden". 2009 erschien eine zweite Auflage.

 Trierischer Volksfreund, 18. 2. 2011