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"Die Großeltern schwiegen, die Enkel reden"

Zweites Buch „Gegen das Vergessen“ über das Schicksal jüdischer Familien aus Gerolstein vorgestellt

"Die Großeltern schwiegen, die Enkel reden"

Von unserer Mitarbeiterin Gabi Vogelsberg

Das Interesse an der Dokumentation über die Schicksale jüdischer Familien in Gerolstein ist ungebrochen: Das zweite Buch "Gegen das Vergessen" ist seit gestern im Handel. Die Buchvorstellung war mit 50 Zuhörern gut besucht. Die zeitgleiche Diskussion übers Verlegen von Stolpersteinen als dezentrale Gedenkstätten verlief sehr kontrovers.

Das Interesse an der Dokumentation über die Schicksale jüdischer Familien in Gerolstein ist ungebrochen: Das zweite Buch "Gegen das Vergessen" ist seit gestern im Handel. Die Buchvorstellung war mit 50 Zuhörern gut besucht. Die zeitgleiche Diskussion übers Verlegen von Stolpersteinen als dezentrale Gedenkstätten verlief sehr kontrovers.


Ein Bild aus dunklen Tagen: SA-Männer kleben während des Dritten Reiches ein volksverhetzendes Plakat an die Schaufensterscheibe eines Geschäfts, das in jüdischem Besitz ist. Wie es den Juden in Gerolstein ergangen ist, darüber berichtet ein überarbeitetes Buch. Foto: dpa

Gerolstein. "Die Veranstaltung hat gezeigt, dass wir auch nach 70 Jahren noch Probleme mit unserer Vergangenheit haben. Wir sollten trotzdem im offenen Dialog miteinander bleiben", resümiert der Gerolsteiner Historiker Karl-Heinz Böffgen. Gemeinsam mit einem Redaktionsteam hatte er die zweite Auflage des Buches "Gegen das Vergessen" über Schicksale jüdischer Familien in Gerolstein erarbeitet und in der Buchhandlung Raabe vorgestellt. Er sagte: "Dieses Haus ist eng mit der Geschichte jüdischer Bürger in der Brunnenstadt verbunden. Nathan Levy errichtete es 1912 und betrieb darin ein Kaufhaus. Sein Schwiegersohn betrieb es, bis er gezwungen wurde, es zu verkaufen."
 
Insgesamt seien 15 der 107 jüdischen Bürger aus Gerolstein in Konzentrationslagern umgekommen. Für diese vom NS-Regime Ermordeten sollen vor den acht Häusern, in denen sie zuletzt lebten, "Stolpersteine" als dezentrale Gedenkstellen verlegt werden. Kosten für die Stadt entstehen keine, da Sponsoren gefunden wurden.
 
Markus Pflüger von der Trierer Arbeitsgemeinschaft (AG) Frieden berichtete über die Aktion in der Moselstadt. Danach brauchen die Initiatoren in Trier keine Zustimmung der Hauseigentümer, da die Stadt als Grundbesitzer der Bürgersteige ihre Zusage gegeben hat. Böffgen und Christa Karoli, Vorsitzende des Vereins Forum eine Welt, erklären unisono: "Wir werden in Gerolstein ohne die Zustimmung der betroffenen Hauseigentümer keinen Stolperstein verlegen."
 
Im Publikum (mit vielen Vertretern städtischer Gremien) war die Meinung gespalten. Peter Assion erklärte: "Vor mein Haus wird kein Stolperstein gesetzt. Ich persönlich kann ja nichts für das Schicksal der jüdischen Familie, die früher darin gewohnt hat." Eine Zuhörerin konterte: "Die Gerolsteiner Initiatoren sollten die persönlichen und fadenscheinigen Gründe der betroffenen Hausbesitzer nicht über das Gedenken an den grausigen Völkermord stellen." Ebenso sprach sich Norbert Leinung für die Vorgehensweise wie in Trier aus. Horst Lodde relativierte: "Assions Meinung muss respektiert werden. Konsens sollte gesucht werden."
 
Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz sagte: "Wir werden uns in den Gremien mit allen Aspekten beschäftigen. Ganz sachlich. Es wird nichts über die Köpfe der Hauseigentümer hinweg entschieden." Böffgen eröffnete weitere Möglichkeiten, wonach auch erst einmal vor zwei oder drei Häusern bei Zustimmung Stolpersteine verlegt werden könnten. Pflüger von der AG Frieden ergänzt: "Die Entwicklung braucht Zeit nach dem Motto: Die Großeltern schwiegen, die Enkel reden." Zuhörerin Heike Sassen (36 Jahre): "Die Stolpersteine haben ja nichts mit Schuldzuweisungen zu tun."
 
Das Buch "Gegen das Vergessen" ist für fünf Euro bei der Buchhandlung Raabe erhältlich. Info:  www.forum1welt.de. Interessenten können am 21. September beim Verlegen von Stolpersteinen in Trier dabei sein. Kontakt: Markus Pflüger, 0651/9941017.

Markus Pflüger aus Trier berichtet über die Aktion „Stolpersteine“ (Foto links unten und oben). Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz signiert Bücher, die von den Schicksalen jüdischer Familien in Gerolstein handeln (Foto rechts). Zum Redaktionsteam gehören Karl-Heinz Böffgen und Christa Karoli. TV-Fotos (2): Gabi Vogelsberg, Foto: dpa

Meinung
 

Positive Signale

Von Mario Hübner
 
Es ist als positives Zeichen zu werten, dass erstens relativ viele Gäste zur Buchvorstellung über das dunkelste Kapitel auch in Gerolsteins Historie gekommen waren. Zweitens zeugt auch die Anwesenheit vieler Stadtratsmitglieder vom hohen politischen Interesse am Thema. Und das ist gut so.

Doch selbst wenn die Mehrheit der Politiker und auch Bürger Gerolsteins von der Notwendigkeit überzeugt ist, mit Stolpersteinen an die jüdischen Mitbürger zu erinnern: Zunächst müssen die betroffenen Hauseigentümer Gehör finden. Und falls sie Bedenken artikulieren, sollte in ebenso ruhigen wie sachlichen Gesprächen versucht werden, sie zu überzeugen. Das Thema taugt weder für Eile noch für laute Töne.  m.huebner@volksfreund.de

Trierischer Volksfreund, Online-Ausgabe, 16. 9. 2009


Gegen das Vergessen
Fotos von der Buchvorstellung in der Buchhandlung Raabe, Gerolstein
15. 9. 2009

Auszüge aus dem Buch

 
Amaya Olea las aus dem Buch "Gegen das Vergessen"
 
Johanna Marder sorgte für musikalische Umrahmung
 
Christa Karoli begrüßte im Namen des Forums Eine Welt das Publikum.
 
Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz sprach ein Grußwort.
 
Karl-Heinz Böffgen führte durch das Programm des Abends.
 
Markus Pflüger, AGF Trier, berichtete über die Verlegung von Stolpersteinen in Trier.
 
Publikum in der Buchhandlung Raabe
 
Stolperstein aus Trier
 
Messingschild mit Gravur
 
Messingschild vor dem Guss des Betonsteins
 
Fertiger Stolperstein