FORUM EINE WELT

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Erinnerungen an die Opfer

Von unserem Mitarbeiter ALWIN IXFELD

GEROLSTEIN. Sie waren Nachbarn, angesehene Geschäftsleute oder Spielkameraden. Dann waren sie plötzlich nicht mehr deutsch genug und mussten weg, weil sie Juden waren. Die Stadt Gerolstein und das "Forum eine Welt" erinnern jetzt in einem Buch an die Menschen, die vor rund 70 Jahren aus Gerolstein "weggekommen" sind.

Bei der Vorstellung des Buches "Gegen das Vergessen" über das Schicksal Gerolsteiner Juden kamen viele Menschen im Gerolsteiner Rathaus zusammen, die am Buch mitgewirkt haben. TV-Foto: Alwin Ixfeld

Die einen konnten mit ein paar Habseligkeiten fliehen. Andere wurden in Konzentrationslager gesteckt und umgebracht. "Gegen das Vergessen", so haben Karl-Heinz Böffgen und Klaus Heller ihr Buch genannt. Im Untertitel steht: "Das Schicksal der Gerolsteiner Juden".

Es ist ein schmaler Band mit etwas mehr als 100 Seiten. Aber in diesen Seiten ist es gelungen, ein erschreckendes Zeitzeugnis zu liefern. Dazu braucht es keine reißerische Sprache. Es sind gerade die beinahe nüchternen Schilderungen von zwölf Zeitzeugen, die unter die Haut gehen. Allerdings, so Karl-Heinz Böffgen in seiner Rede zur Vorstellung des Buches im Gerolsteiner Rathaus, gebe es kaum noch Menschen, die diese Zeit persönlich erlebt haben.

"Wir sind Jahrzehnte zu spät", bedauerte Böffgen vor den rund 70 Besuchern, die interessiert der Vorstellung des Buches folgten. "Wir dürfen die Millionen jüdische Opfer und die weit mehr als 20 Ermordeten aus Gerolstein nicht vergessen", beschrieb Böffgen eines der Ziele der Veröffentlichung. Deshalb richtet sich das Buch vor allem an jüngere Menschen, um ihnen zu zeigen, "dass Nazizeit und Völkermord kein abstrakter und weit zurück liegender Teil deutscher Geschichte sind".

Der Gerolsteiner Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz betonte, dass die heutige Verantwortung die Erinnerung sei. Nur dadurch gebe es eine gerechtere Zukunft. Im Buch werden 48 Fotos von Gerolsteiner Juden gezeigt, eine Dokumentation des jüdischen Friedhofs und Stammbäume alteingesessener jüdischer Familien aus Gerolstein.

Besonders beeindruckend sind aber die Erinnerungen, die als Briefe oder Aufsätze vorliegen. In mühsamer Recherche konnten Böffgen und Heller diese Zeugnisse zusammentragen. Hilfe fanden sie dabei vor allem bei Menschen, die selbst als Kinder die Nazizeit erlebt haben. Ihre persönlichen Erinnerungen, aber auch Briefe, die sie von Überlebenden bekommen haben, sind ein wesentlicher Bestandteil von "Gegen das Vergessen". Deshalb dankten Böffgen und Schwartz diesen wichtigen Mitarbeitern des Buches ausdrücklich, indem sie ihnen die ersten druckfrischen Exemplare überreichten.

Am Schlimmsten traf es Arme und Optimisten

Die Gerolsteiner Juden waren ganz normale Bürger der Stadt. Aber mit der Machtübernahme der Nazis sank ihre Zahl von ehemals rund 110 langsam, aber stetig. Wer konnte, suchte sein Heil in einem anderen Land. In teilweise abenteuerlich anmutenden Erzählungen beschreiben die, die überlebt hatten, ihre neuen Lebenswege. Am schlimmsten traf es die Gerolsteiner Juden, die bis zuletzt geglaubt hatten, dass ihnen nichts passieren würde, oder die, denen das Geld für eine Flucht gefehlt hatte. Sie wurden, wie Millionen anderer Menschen, verschleppt und umgebracht.

Das Buch belegt, dass es in Gerolstein sowohl fanatische Unterstützer des Nazi-Regimes gab, als auch Menschen, die aus Angst weggeschaut haben. Aber es gab auch heimliche Helfer für jüdische Mitbürger. Somit ist das Buch über die Geschichte der jüdischen Gerolsteiner, die 1943 endete, sowohl Erinnerung und Mahnung als auch ein wenig Mut machend.

"Gegen das Vergessen" ist in den Buchhandlungen von Gerolstein und Daun sowie im Gerolsteiner Rathaus erhältlich.

Trierischer Volksfreund, 15. 12. 2006