Forum Eine Welt

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Gedenken zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht

Plakat

Gegen das Vergessen.
Veranstaltung des Forums Eine Welt e.V. zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9.11.

Der Waggon der Züge nach Auschwitz stand schon 1933 in Gerolstein bereit. Wider das Vergessen heißt : ,,Denkt an uns, die wir ausgegrenzt, enteignet, verfolgt und letztendlich ermordet wurden. Wir waren mitten unter Euch, nahmen teil am Leben im Dorf, belebten die Wirtschaft des Ortes, feierten mit Euch, bereicherten das kulturelle Leben und wir wollen nicht vergessen sein.“ Ganz allmählich am Anfang und dann sehr schnell, wirkte der Staatsterrorismus der Nazis und veränderte die einfachen Bürger und machte sie zu Tätern, weil sie sie gewählt hatten und ganz oft wegschauten. Es war schwer, sich dem zu entziehen. Deshalb: „Seid wachsam und wehret den Anfängen!“

"Der lange Schatten der Vergangenheit" (Buchtitel: Assmann) und die Aufgabe, diese zu erinnern und zu bewahren, hat sich das Forum1Welt e.V. vorgenommen. So konnte die Veranstaltung zum 9. November im Rathaus Gerolstein dazu beitragen, diese Vergangenheit zu beleben, der jüdischen Mitbürger zu gedenken und durch den Vortrag von Andreas Borsch (M. A., Doktorand der Uni Trier) einige Ereignisse und Zusammenhänge aufhellen.

Eingangs betonte der Referent, dass nach mehr als 70 Jahren immer noch nicht alles, was mit der „Arisierung“ in Zusammenhang steht, wissenschaftlich aufgeklärt sei; so befänden sich heute noch viele Raubgüter in deutschem und österreichischen Privatbesitz. Für ihn sei der Begriff „Arisierung“ problematisch, da er zu sehr die Täterperspektive betone; besser sei bei diesem Prozess von wirtschaftlicher Existenzvernichtung zu sprechen, die es schon vor 1938 mitten in der bürgerlichen Gesellschaft gegeben habe. Soziale Isolation der Juden, Umsatzrückgang, Verdrängung jüdischer Betriebe, fiskalische Ausbeutung waren die Folge. Die Arisierungsakteure, an exponierter Stelle im Landkreis Daun Landrat Wirtz und Kreisleiter Kölle, erreichten ihre Ziele durch Einschüchterung, gelegentliche Übergriffe, Sichtbarmachung (Schild: „Juden unerwünscht!“), Boykott und Denunziantentum. So postierte man z. B. vor der Metzgerei Rothschild in Stadtkyll Angehörige der Hitlerjugend und überwachte vor allem auch am späten Abend die Kunden. Auf den Kram- und Viehmärkten wurden die Stände der jüdischen Händler durch die Kreisbauernschaft boykottiert bzw. den Besuchern gedroht, sie bei Kontakt zu fotografieren. Ein weiteres Beispiel für diesen öffentlichen Angstraum zeigt das Auftreten von Angehörigen des 1934 in Gerolstein errichteten Arbeitsdienstlagers, die mit Gesängen in der Stadt die Bewohner einschüchterten. So ergibt sich zusammenfassend ein Bild der Ausgrenzungstendenz, die schon sporadisch in den 20er Jahren beginnt, schleichend ab 1933 durch einzelne lokale Akteure hier in der Vulkaneifel aus eigenem Antrieb und Interesse befördert wird ( z. T. entgegen den politischen Vorgaben aus Berlin) und erst ab 1935 Staatsdoktrin ist. .

Die gestellten Fragen nach dem Vortrag zeigen, dass die Vergangenheit noch lebendig ist, es Betroffene gibt. Ca. 80 Bürger des Landkreises, u.a. Landrat Thiel, die Landtagsabgeordnete Astrid Schmidt, der Bürgermeister der neuen Verbandsgemeinde H. P. Böffgen und weitere Vertreter der politischen Parteien, haben diese wichtige Veranstaltung besucht.

Der Auftritt der Gruppe Nie all Doh an diesem Abend, schon fast Tradition, gab den passenden musikalischen Rahmen. Die acht Musikerinnen spielten überwiegend rasante Klezmermusik. Frau D. Schmitten erinnerte daran, dass diese ursprünglich jüdische Musik Osteuropas, die v.a. zu Hochzeiten und anderen Festen dargeboten wurde, vor der kulturellen Auslöschung durch den Holocaust stand, ihre Rettung und Bewahrung aber heute ein positives Zeichen setze, gerade auch für den Veranstaltungsabend.

Vorgestellt wurde die 3. veränderte Auflage des Buches GEGEN DAS VERGESSEN. Das Schicksal der Gerolsteiner Juden durch H. Blinn. Neben kleinen Textergänzungen ist ein Kapitel über die Verlegung der Stolpersteine in Gerolstein mit Dokumenten über die Kontroverse dieser Aktion neu hinzugekommen. Bei der Präsentation wurde die Bedeutung des Buches in Zeiten der Holocaustleugner und -relativierer als Teil der Aufklärung über die Verbrechen des NS hervorgehoben. Die Vorsitzende des Forums Eine Welt, Frau Chr. Karoli, bedankte sich bei den Sponsoren KSK Daun, Bürgerdienst e. V. , Stadt Gerolstein, Ministerium des Innern und den Vielen, die ungenannt zu bleiben wünschen, für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung. Die Spuren jüdischer Existenz spiegeln sich an diesem Gedenkabend auch in einer kleinen Ausstellung mit der Lage der Wohnhäuser der Betroffenen, ihrer verhängnisvollen Biografie und Porträts des Gerolsteiner Fotografen Fredy Lange. Diese Ausstellung kann in den nächsten 2 Wochen im Rathaus Gerolstein noch besucht werden.

Das große Interesse an dem Buch ,,Gegen das Vergessen - das Schicksal der Gerolsteiner Juden" lässt hoffen, dass ihrer gedacht wird und sich solche Verbrechen nicht wiederholen.

Das Buch ist in der Buchhandlung Raabe, in der Tourist-Information Gerolsteiner Land für 10 € oder über den Verein Forum Eine Welt e.V. (info@forum1welt.de) für 10 € + 2,50 € Versandkosten erhältlich.