AKTIONSKREIS GEGEN RECHTE GEWALT

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Montag, 27. Januar 2003, Rondell Gerolstein
"Khamoro auf dem Weg der Sonn
e"

Eine literarisch-musikalische Reise durch Kultur und Geschichte des Roma-Volkes


Das international renommierte Roma-Theater „PRALIPE“ gastiert auf Einladung des AKTIONSKREISES GEGEN RECHTE GEWALT mit einem Literatur- und Musikabend anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar 2003 im Gerolsteiner Rondell.

Das erste Roma-Theater Europas, 1971 gegründet, erntete mit seinem Gründer und Regisseur Rahim Burhan angesehene Theaterpreise und spielte auf internationalen Festivals. Mit Hilfe des künstlerischen Leiters  des Theater a. d. Ruhr, Dr. Roberto Ciulli siedelte die Gruppe um Rahim Burhan 1991 nach Mülheim/Ruhr über. (Seit September 2002 hat das Ensemble in Düsseldorf seinen neuen Standort bezogen.) Die hohe Qualität der Produktionen des Roma-Theater Pralipe und die konsequente Verfolgung einer ganz eigenen Ästhetik brachte der deutschen Theaterlandschaft eine beachtliche kulturelle Bereicherung. Inzwischen ist Pralipe in mehr als 100 europäischen Städten erfolgreich aufgetreten.

Bei ihrem Gastspiel in Gerolstein erzählen Roma-Schauspieler an Hand literarischer Texte (z.T. in Romanés) und der mit originalen Roma-Instrumenten vorgetragenen Musik die Geschichte der Roma - eine Geschichte, die mit der Auswanderung aus Indien begann und für einen großen Teil des Volkes in Auschwitz endete. Es sind daher nicht nur fröhliche Lieder, die das "lustige Zigeunerleben" widerspiegeln, sondern auch viele melancholisch-nachdenkliche Musikstücke: „Wo das Sprechen nicht möglich ist, hebt Musik die Stille auf und formt die Sprachlosigkeit in ein Ritual der Erinnerung. Erinnerung an die Liebe, die den Opfern geraubt wurde.“ (Milenko Goranovic, Dramaturg)

Auschwitz steht nicht nur für den Holocaust an den Juden, sondern auch für den Völkermord an den Sinti und Roma. Das wird heute oft vergessen. „Was geschehen ist kann niemand ungeschehen machen, die Geschichte kann man nicht ändern. Die Opfer haben das Recht, gehört zu werden. Ihnen dieses Recht zurückzugeben, kann man. Muss man. Ich will versuchen, ihnen Gehör zu verschaffen. „Für Liebe bin ich geboren, nicht für den Hass“ sagt Antigone. Ich möchte diesen Menschen, deren einziges Verbrechen ‚Zigeuner‘ zu sein war, meine Liebe geben, indem ich ihre Träume, ihre Wünsche und ihre Liebe sprechen lasse .... Vorhang auf!“ (Rahim Burhan, Inszenierung)


 

ROMA THEATER PRALIPE

Vor gut 26 Jahren gründete der Regisseur Rahim Burhan in Skopje im ehemaligen Jugoslawien sein Roma Theater Pralipe (Brüderlichkeit). Es entwickelte sich bald zu einer sehr erfolgreichen Gruppe, ging auf Tourneen, wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Pralipe war ein Theater von Roma auch für Roma. Die Tendenz der Inszenierungen erregte politischen Widerstand. Der Druck auf Regisseur und Ensemble wurde immer stärker. Schließlich war das Theater in Mazedonien finanziell am Ende und stand damit künstlerisch vor dem Aus. Da erwies sich der Kontakt mit dem Theater an der Ruhr in Mülheim - mit seinem künstlerischen Leiter Dr. Roberto Ciulli und dem Dramaturgen Dr. Helmut Schäfer - für das Roma Theater als Glücksfall. Pralipe hatte bereits erfolgreich in Mülheim gastiert, man kannte, man schätzte sich.

Wir - unterwegs

Das Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport NRW bezuschusst das Roma Theater Pralipe mit 360 000 Mark. Diese Subvention wurde bei der Übersiedlung von Mazedonien nach Deutschland erstmalig gewährt (und lag damals noch etwas höher). Damit sollte die erfolgreiche internationale Theaterarbeit des Theaters an der Ruhr anerkannt und unterstützt werden. Der Löwenanteil des Geldes, das für den Betrieb von Pralipe erforderlich ist, muss über Gastspiele und Tourneen eingespielt werden. Im Laufe der Zeit gastierte Pralipe in mehr als 100 Städten des In- und Auslands, in manchen mehrfach. Da gab es 1991 eine Reise durch die verschiedenen Republiken des ehemaligen Jugoslawien, 1994 durch Dänemark und Schweden, 1995 durch Polen, Tschechien, Rumänien und Bulgarien. Diese Gastspiel- Tour dauerte fünf Wochen. Im Jahr 1996 wurden noch einmal Theater in Mazedonien bespielt, im Herbst 1997 in Spanien. Besonders zu erwähnen: das Sondergastspiel im Wiener Burgtheater 1995 als Antwort auf die Übergriffe auf Roma im österreichischen Oberwarth sowie die vom Kultusministerium NRW bezuschusste Tour durch alte und neue Bundesländer, die unter dem Titel "Kultur gegen Gewalt" lief und unter anderem auf die Krawalle in Rostock und Hoyerswerda reagierte.

Künstlerischer Leiter: Rahim Burhan

Bühnenbildner: Gralf-Edzard Habben

Die Schauspieler: Suncica Todic, Saban Bajram, Eduard Bajram, Mustafa Zekirov, Silvia Pinku, Orhan Selman, Ahmet Zekir

Gastschauspieler: Elizabeta Kocoska, Rojan Saban, Selim Dalipi, Aziz Ismaili, Sebastian Ismaili, Güner Ramadan, Umer Dzemailji, Sabrina Hodic, Vlado Kerosevic

Dramaturgie/Management: Milenko Goranovic, Gabrielle Hannen

Techniker: Frank Goedereis, Menuhin Saitov

Die Roma wurden wohl zwischen 800 und 1000 nach Christus wegen des Einströmens arabischer Volksstämme und die dadurch bedingte ökonomische Existenzunsicherheit zur Auswanderung aus Indien gezwungen. Da sie auch in ihren Aufnahmeländern - von kurzen Perioden der Duldung abgesehen - meist vertrieben und verfolgt wurden, waren sie seitdem zu einem Wanderleben gezwungen. Die große Mehrheit der Vorfahren der heutigen europäischen Roma ließ sich zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert auf dem Balkan, im Mittleren Osten und in Osteuropa nieder. Um 1400 erreichte die Westwanderung Mitteleuropa, bald nach 1500 England und 1715 Nordamerika. Seit Beginn der Neuzeit kam es zu einer Reihe von Verfolgungen der Roma sowie ihrer Vertreibung aus verschiedenen Ländern. Dadurch wurde eine Wanderung von Land zu Land weitgehend verhindert. Die Roma waren gezwungen, sich in entlegene Gebiete zurückzuziehen oder aber in Bevölkerungsgruppen aufzugehen, die eine ähnliche Lebensweise hatten. Im deutschen Reich wurden die Zigeuner für vogelfrei erklärt. Wenn sie sich der Verfolgung nicht durch Flucht entzogen, wurden sie gefoltert, gebrandmarkt, verhaftet und hingerichtet. ROMA THEATER PRALIPE / Unsere Sprache

Renommierte deutsche Lexika der 60er Jahre vermerken weder etwas über Sinti noch über Roma. Und schon gar nichts über deren Sprache, das Romanés. Die geht auf die indische Gelehrtensprache Sanskrit zurück und wurde immer nur mündlich überliefert. Vor gut 30 Jahren einigte man sich auf die lateinische Schrift und vor wenigen Jahren auch auf die Schreibweise, die den deutschen Sinti und Roma gemeinsam ist. Das Roma Theater Pralipe kann also auf keine reichhaltige Literatur zurückgreifen, sondern bemüht sich meist um selbst angefertigte Übersetzungen. So steht im Text von "Romeo und Julia" erstmals eine Vorlage zur Verfügung, die von Donald Kenrick, einem englischen Sprachwissenschaftler, direkt aus Shakespeares Englisch ins Romanés übertragen worden ist.


Quelle: Internetseite von Pralipe